
Mein Bauchgefühl ist in der Regel ein guter Berater. Es meldet sich recht schnell bei Unbehagen und wenn ich öfter darauf gehört hätte, wäre mir Vieles erspart geblieben.
Es war Anfang des Jahres, als mein Ex- Mann mir mitteilte, dass seine Freundin und er sich getrennt haben und sie jetzt mit dem Halbbruder meiner Kinder ausgezogen ist.
Er wollte wie geplant, dass die Jungs in den Pfingstferien zu ihm kommen. Auch wenn die Situation jetzt anders ist.
Ich lief im Wald spazieren und nahm ihm eine längere Sprachnachricht auf. Ich teilte ihm meine Bedenken mit so kurz nach einer Trennung. Ich war besorgt, ob er sich kümmern kann. Ob er nicht erstmal Dinge zu erledigen hat. Verdauen muss. Zur Ruhe kommen. Keine Ahnung.
Mein Bauchgefühl war laut und ich bot alle möglichen Varianten an, da mir 2 Wochen sehr lang vorkamen.
Ich erinnerte mich an schwierige Umgänge in der Vergangenheit. Mit der Freundin wurde es so viel besser, schöner, entspannter. Ich konnte mich verlassen.
Ich war der festen Überzeugung, dass er sich geändert hat. Dass die beiden es besser machen als wir damals und nur wir beide so eine explosive Mischung waren.
Ich schlug vor, dass wir alles verkürzen. Oder dazwischen eine Woche Pause machen, damit der Zwuckel in die Ferienbetreuung gehen kann.
Nein. Er war sich sicher. Alles soll so bleiben. Die Ferien seien ihm wichtig. Er vermisse die Kinder und brauche sie. Das werde ihn ablenken und ihm gut tun meinte er.
Ich wollte es ihnen nicht nehmen, fand wichtig, dass sie das unter sich verarbeiten, denn die Trennung war auch für die Kinder ein großer Schock.
Ich konnte keine Fragen beantworten nach dem Wieso und Warum. Die Kinder wollten auch unbedingt zu ihm, ihn trösten und unterstützen, schauen, was da überhaupt los war.
Dem grossen Sohn ( 11) sagte ich, dass er mich jederzeit anschreiben könne, wenn es Probleme gäbe. Ich werde sie dann sofort abholen.
Als ich sie zu ihm fuhr, holte er sie unten ab und es dauerte nur eine Umarmung, bis der Ex anfing zu weinen.
Ich erinnere mich daran, dass ich den kompletten Weg bis nach Hause dieses ekelig Gefühl hatte.
Mir ging nicht aus dem Kopf, wie ich ihn drückte und ihm etwas Aufmunterndes sagte. Gleichzeitig war ich kalt ihm gegenüber. Es war gespielt und ich hatte keinerlei Empfindung ihm gegenüber.
Wenn es um Gefühle ihm gegenüber geht, ist in mir alles tot merkte ich. Keine Vertrautheit aufgrund der gemeinsamen Jahre. Nichts. Ich sorgte mich nur um die Kinder.

Die ersten Tage vergingen. Mein Sohn schrieb mir mehrfach zurück, dass es Papa besser gehe, es sei alles in Ordnung.
Das ekelige Gefühl blieb.
Ich teilte mit einer Freundin die Idee, dass ich die Kinder schon nach einer Woche abhole. Sie fand das doof und meinte, ich solle es ihnen gönnen. Es sei doch alles gut soweit.
Ich wurde unruhiger, versuchte mich mit der Arbeit abzulenken.
Ich fand den Gedanken egoistisch von mir. Nur weil ich nicht gut klarkam diesmal sollten die Kinder doch nicht zu kurz kommen beim Papa.
Sie haben ihn so lang immer teilen müssen, jetzt hatten sie endlich Zeit zusammen.
Seit Tagen zwickte der Rücken, ich hatte mich bei der Arbeit verhoben. Es fühlte sich nach Hexenschuss an.
Ich versuchte es mit Dehnen und Wärme, wartete drauf, dass es besser wurde. Ich ging weiter arbeiten, es war kein Schmerz da. Nur ein unangenehmes Gefühl.
In einer Nacht wachte ich 3 Uhr auf und musste mich krank melden für den Frühdienst.
Ich konnte mich nicht rühren. Bei jeder minimalen Bewegung verpassten mir 1000e Stromschläge einen Schmerz, den ich noch nie vorher hatte.
Ich geriet in Panik. Ich war alleine. Keiner, der mir helfen konnte.
Mein einziger Gedanke war:
„Ich will sofort meine Kinder zurück!“
Es war ein bestätigter Bandscheibenvorfall stellte sich beim MRT raus. Ich, die nie Rückenprobleme hatte. Unter Schmerzen und mit einigen starken Medikamenten intus, setzte ich mich ein paar Tage später ins Auto.
Ich hatte meinem Ex- Mann geschrieben, dass ich sie gern ein paar Tage früher abholen will, da sonst alles so stressig wird, wenn am nächsten Tag gleich Schule ist. So hätten sie noch ein paar Tage Zeit, daheim anzukommen.

Ich holte zwei fiebernde Kinder ab. Einen mit Bindehautentzündung, den anderen mit schlimmem Husten. Beide völlig verwahrlost. Körperlich und emotional.
Als er sich zum Abschied zum Grossen runterbeugte, hörte ich, wie er ihn fragte:
„Habt ihr heute eigentlich Zähne geputzt?“
Da wusste ich, dass da Einiges wohl sehr schief gelaufen ist und mein Bauchgefühl sich so stark gezeigt hat wie noch nie, wenn auch an anderer Stelle.
Ich habe mir geschworen jetzt immer darauf zu hören und es nicht mehr so zu übergehen.
Klar war ich mit meinem Kind immer in Kontakt. Aber ich musste lernen, dass Kinder eben keine kleinen Erwachsenen sind und Situationen falsch einschätzen. Kein Kind findet es komisch und wird skeptisch, wenn es in 11 Tagen kein einziges Mal duschen muss bei über 30 Grad.
Kein Kind beschwert sich über zu viel Medienzeit, auch wenn diese nicht kind- und altersgerecht ist. Das Ausmaß wurde erst im Laufe von Wochen klarer.
Was damals schief lief arbeiten wir bis heute noch auf.
Es hat Spuren hinterlassen und alles verändert.
Seither habe ich nie wieder auch nur ein Ziehen im Rücken gehabt, nichts. Als ob es diese Nacht und die Tage danach nie gab. Ich hatte meine Kinder wieder und es ging mir recht schnell wieder sehr gut.
Danke Bauchgefühl. Du guter, treuer Freund. Ich werde dich nie mehr ignorieren.
Ich versuche mir zu verzeihen, dass ich nicht auf dich gehört habe und du so laut werden musstest.
