Wann sollte man in einer Beziehung gehen?

Meinen Ex-Mann kannte ich seit der 5. Klasse und bereits zu Schulzeiten mochte ich ihn sehr. Er war gebildet, sehr sportlich, ein bisschen erwachsener wie alle anderen Jungs in seinem Alter. Er war gross und ich mochte sein volles, schwarzes Haar.

Ich liebte seinen Humor und noch mehr die tiefsinnigen Gespräche. 

Als wir uns viel später ineinander verliebten, hatten wir (scheinbar) die gleichen Ziele im Leben. Vielleicht liess meine rosarote Brille aber auch nicht zu, genauer hinzuschauen.

Vielleicht war ich zu verliebt, um zu sehen, dass ich das alles doch viel mehr wollte als er.

Vielleicht wünschte er es sich auch nur, weil er „Familie“ so gar nicht kannte. Somit wusste er auch nicht, wie viel man investieren muss und dass er dazu auf Dauer gar nicht bereit war.

Als wir erfuhren, dass es ein Junge wird- er hat geweint vor Freude.

Er wollte alles dafür tun, damit wir glücklich sind. Vielleicht meinte er damals aber auch schon mehr sich selbst.

Die Jahre zogen ins Land, wir heirateten und bauten ein Haus.

Wie man das eben so macht. So wird es einem vorgelebt. Das muss man haben, um glücklich zu sein.

Das Bauchgefühl hatte ich zu dem Zeitpunkt schon einige Male ignoriert und ich wollte ja auch nichts mehr, als glücklich zu sein.

So sehr man sein Kind auch liebt, der Alltag ist ein ganz anderer als zuvor.

Die schlaflosen Nächte, keine familiäre Unterstützung in der Nähe, fehlende Zeit als Paar.

Wenn wir die dann mal hatten, ja, dann wussten wir wieder, warum man sich ineinander verliebt hatte.

Tiefe Gespräche, die nicht durch Kindergeschrei unterbrochen wurden.

Lachen. Sich nah sein.

Doch der Alltag holt einen schnell ein, wenn beide arbeiten, Rechnungen gezahlt werden müssen und diese Zeit nicht da ist.

Wenn man ständig organisieren und planen muss, damit der Spagat zwischen Arbeitswelt und Privatleben gelingt.

Wenn die Schmetterlinge im Bauch etwas ruhiger werden, man einfach nur funktioniert und sich immer wieder dieser Gedanke einschleicht:

„Hatte ich mir das so vorgestellt?“

Klar, die Liebe zum gemeinsamen Kind verbindet auch unheimlich, rettet aber keine Ehe.

Wir als Paar…

Es gab immer öfter Streit. Immer länger wurden die Zeiten, in denen wir nicht miteinander redeten. Immer kürzer die harmonischen Abstände.

Wenn wir redeten, gab es wieder Streit. So drehte sich das Karussel und wir konnten nicht abspringen.

Wann ist das alles denn passiert? Früher war es doch immer möglich eine Lösung zu finden. Kompromisse zu finden. Auf den anderen zuzugehen. Nachzugeben. Zu reden und auch zu verzeihen.

Also, Bauchgefühl wieder übergangen, alle Zweifel ignoriert  und Kind Nr. 2 war unterwegs.

Das hatte ich mir so sehr gewünscht, vielleicht wieder etwas mehr als er.

Schließlich sagten doch alle, dass die ersten 10 Jahre im Haus die schwersten sind, bevor es leichter wird.

Die Kinder werden grösser, tröstete ich mich selbst.

In einer Ehe gibt es nun mal Höhen und Tiefen, sagte ich mir und das geht doch jedem so. Streit gibt es doch überall mal, das ist normal.

Die Ehe ist für immer, ein Leben lang, das hatte ich geschworen und wollte es halten.

Auch wenn er sich immer mehr raushielt, aussen vor war, nicht mehr bereit war zu investieren. Aus gemeinsamen Plänen wurden seine Pläne und ich fühlte mich so allein.

Ich hatte das Gefühl, dass ich mit allem alleine dastand und das alles schaffte ich niemals. Zwei Kinder, arbeiten, das Haus.

Aufräumen, hinterherräumen, einkaufen, kochen und dabei lächeln. Glücklich sein. Und wenn nicht, dann zumindest so tun.

Immer mehr war ich ein Schatten meiner selbst, immer mehr entfernte ich mich von dem, was mich ausmachte.

Immer öfter ging er über meine Grenzen hinweg und ich wunderte mich, dass ich es zuließ. So kannte ich mich nicht.

War ich doch immer taff und machte meinen Mund auf. Mein Gerechtigkeitssinn ist sehr stark ausgeprägt. Aber vielleicht auch nur, wenn es um andere geht und nicht um mich selbst.

Ich war jetzt eine verheiratete Frau, uns verbanden 2 Kinder und ein Schwur. Wir hatten ein Haus gebaut und waren hoch verschuldet.

Früher hatte ich schlaflose Nächte, wenn ich 200 Euro im Minus war.

Wie sollte ich aus dieser „Sache“ nur jemals wieder rauskommen?

Ich war verzweifelt, wurde den Gedanken nicht los, dass das alles ein grosser Fehler war und zum ersten Mal teilte ich es meiner engsten Freundin mit.

Monatelang redeten wir offen darüber, dass in mir alles tot ist.

Dass er zu weit gegangen ist. ZU weit und das ZU oft. Immer, wenn ich ihm verziehen hatte, ging er noch ein Stückchen weiter als zuvor.

Heute, mit Abstand betrachtet und als geschiedene Frau behaupte ich, dass die wenigsten Ehen wirklich glücklich sind.

Es ist viel mehr ein:

Man hat sich arrangiert.

Man macht viel getrennt voneinander, damit man sich nicht auf den Keks geht und nicht eingestehen muss, dass man sich irgendwann verloren hat.

Viele denken, dass sie glücklich sind, weil sie nicht ahnen, oder wahrhaben wollen, was er, oder auch sie hinterm Rücken so treibt.

Wenn Paare gemeinsam am Tisch sitzen, Paradebeispiel im Urlaub. Wenn ich sie beobachte, nachdem ihre Kinder längst den Tisch verlassen haben.

Sie haben sich schlichtweg nichts zu erzählen. Sie stochern in ihrem Teller herum und es ist still geworden.

Wenn ich mich umschaue, dann sind wohl wenige wirklich glücklich. Was daheim hinter verschlossener Tür so abläuft, davon kann man nur maximal ahnen.

Unsere Ehe endete nicht bei diesem Knall, der der ausschlaggebende Punkt war.

Unsere Ehe endete bereits lange zuvor und jeden weiteren Tag zerbrach unsere Welt ein bisschen mehr.

Zu lange habe ich festgehalten an dem, was schon lange nicht mehr war.

Vor Jahren erzählte mir eine Freundin von ihrer Beziehung. Streit gebe es sicher hin und wieder, aber noch wirklich nie sei einer von beiden an dem Punkt gewesen, sich trennen zu wollen.

Ich bin heute noch neidisch darauf, dass sie den Satz sagen konnte und sicherlich heute noch genauso sagen würde. Ich gönne es ihr und allen anderen, die so empfinden von ganzem Herzen.

Bei uns war es nicht dieses:

„Wir haben uns auseinandergelebt!“

Das wäre mir sicher zu wenig gewesen, um zu gehen.

Es brauchte viel, bis meine Grenze erreicht war. Ich hatte mir und uns viel zugemutet. Es hatte inzwischen Einfluss auf die Kinder. An dem Punkt bin ich wach geworden.

Nie vergesse ich dieses Gefühl von damals, als ich nachts die Koffer packte. Voller Angst und Panik, was jetzt werden soll. Was das mit mir macht und was mit den Kindern.

Ich hörte den Knall der zerplatzen Seifenblase, die für mein Leben stand.

So weit gekommen, so viel erreicht und erarbeitet. Und doch alles vergeblich.

Fast alles. Das Haus ist verkauft, wir können uns inzwischen immer öfter wieder in die Augen schauen und ich habe es überwunden.

Mit jedem weiteren Jahr, das verstreicht, hat das Leben von damals immer weniger mit mir selbst zu tun.

Es gehören immer zwei dazu. Unsere Ehe zerbrach nicht nur daran, wie er war, sondern auch daran, wie ich war.

Menschen entwickeln sich im Laufe der Jahre. Im besten Fall in die gleiche Richtung, im schlimmsten in entgegengesetzte.

Wichtig finde ich dabei, dass man es sich eingesteht. Dass man es nicht als persönlichen Versagen sieht.

Dass man niemanden über die anfangs besprochenen Grenzen lässt, die einem heilig sind und alles an dir ausmachen.

Dass man nicht den Kindern vorlebt, dass DAS Liebe ist. Nein, das wollte ich nicht.

Es ist wichtig sich zu hinterfragen, ob man das alles genauso will, ohne sich selbst anzulügen.

Ohne Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen und darauf, was die Leute sagen.

Scham, Angst und Resignation sind schlechte Wegbegleiter und oft dachte ich bei mir:

„Du bist zu jung, um so unglücklich zu sein!“

Es ist DANN Zeit zu gehen, wenn dich das alles nicht mehr zurückhält. Wenn du nicht mehr daran denkst, dass so doch alles bequemer ist.

Es ist DANN Zeit zu gehen, wenn nur noch einer bereit ist zu kämpfen. Alleine schaffst du das nicht!

Es ist DANN Zeit zu gehen, wenn die Sorge, wie es weitergeht dich nicht mehr kümmert.

Dann, wenn ein …

„Wie soll das nur werden?!?“

…weicht in ein:

„Irgendwie geht es schon weiter!“

Was bleibt sind die gemeinsamen Kinder, für die sich all das gelohnt hat auf sich zu nehmen und die uns immer miteinander verbinden. Zwingen, irgendwie klarzukommen, es immer wieder zu versuchen, zu verzeihen und nicht nur an sich selbst du denken.

6 Kommentare zu „Wann sollte man in einer Beziehung gehen?

    1. Freut mich einerseits zu hören und andererseits tut es mir leid für dich. Wenn du dich in etwa gefühlt hast wie ich damals, autsch!

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  1. Was ein toller Text. Der tut mir tatsächlich in der Seele gut. So viele Gedanken, die ich in deinen Zeilen wieder lese.
    Es hinterlässt in mir das Gefühl ich bin nicht Alleine
    DANKE

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