Die Schublade, in der ich stecke

Eine Bekannte erzählte mir zuletzt von der Freundin ihres 15 jährigen Sohnes und wir kamen ins Gespräch. Ob sie mit der Familie klar komme und wie die Eltern so drauf wären, hat mich interessiert. „Naja, sie ist Alleinerziehend.“

Das ist eine von so vielen Situationen, bei der es mir wieder bewusst wird: ICH BIN JETZT IRGENDWIE ANDERS!

Es ist fast so, als bin ich von der 1. Bundesliga in die 2. abgestiegen.

Im Inneren fühl ich mich genauso wie damals, als ich verheiratet war und in unserem EFH lebte. Meine Werte sind die gleichen! Die Liebe zu meinen Kindern und was ich ihnen mit auf den Weg geben will, auch.

Nur die Umstände sind jetzt andere. Der Tag hat leider nur 24 h, ich wünschte oft, dass es ein paar mehr wären, denn Vieles ist nicht erledigt.

Im Aussen ist es anders geworden.

Jetzt bin ich die, die nicht zum Elternabend kommt. Ich bin mit meinen Jungs 18.40 Uhr an dem Tag vom Spielplatz zum Auto gelaufen, die anderen Mütter waren vereinzelt schon vor der Schule versammelt. Ich bilde mir ein, ich hätte verdutzte Blicke gesehen. „Nanu? Es geht doch gleich los! Wieso schlendert sie denn so gemütlich hier vorbei?“

Dass ich im Inneren todtraurig darüber war, das sah man mir nicht an. Dass ich alles versucht hatte, um einen Babysitter für die 2 h zu bekommen, es aber nicht geklappt hatte, auch nicht. Ich selbst denke, dass die Anwesenheit im Elternabend zeigt, ob ich Interesse am Kind habe, oder nicht.

Es war die Höchsstrafe für mich und ich war den Tränen nahe. Das glaubt mir vielleicht keine Mama, für die das Drumherum völlig selbstverständlich ist und die ihr Kind bei Papa oder Oma lässt.

Aktuell bekomme ich viele Gespräche um mich herum mit, der Vatertag wird geplant. „Sollen wir was zusammen machen? Vielleicht ne Wanderung? Wohin?“

Heute z.B. sass ich dazwischen, es wurde quasi über mich hinüber geplant. Keiner hat mich gefragt… dafür habe ich mir mehrere Gründe ausgedacht:

Erstens wissen alle, dass es für mich keinen Grund gibt den Vatertag zu zelebrieren, da ich meist nur Ärger mit diesem habe.

Version 2 ist, dass man mich einfach nicht leiden kann und sowieso nicht gefragt hätte. Auch mit Mann nicht.

Man kann sich alles Mögliche zusammenspinnen. Aber irgendwie bin ich raus! Ich pass da nicht rein, oder dazu. Oder kommt es mir nur so vor?

Wenn die Lehrerin ermahnt, dass man das Kind jeden Tag laut lesen lassen soll, bin ich in der Theorie voll bei ihr.

Die 10 Minuten sind IMMER drin, denk ich auch. Aber die Realität ist oft anders. Bei uns gibt es zwischendurch mehrere Tage, an denen er nicht liest. Wenn er z. B bei Papa ist.

Oder, wenn sein kleiner Bruder tobt, dass er ein anderes Buch vorgelesen bekommen will. Und überhaupt, nicht von ihm, sondern von mir! Wenn er immer wieder das Buch wegreißt und nicht still ist.

Es gibt Tage, die sind so vollgepackt, da denke ich nicht daran. Und es gibt diese Tage, da denke ich dran, hab aber selber keine Lust und Energie dafür.

Wenn’s heisst in 14 Tagen ist Buchpräsentation, sind andere Eltern ganz entspannt. Ich zähle bereits die „realen“ Tage, an denen kein Sport ist und kein Papa Wochenende, Wettkampf, oder Kindergeburtstag. Da bleibt schon nicht mehr sehr viel Zeit und ich spüre den Druck.

Es kann sein, dass andere Kinder dadurch besser vorbereitet sind.

Wenn im Dezember gefühlt 1000 Termine sind, alle überaus wichtig. Weihnachtsfeier Kindergarten, Schule, Arbeit, Verein, dies und das. Überall soll man was zum Buffet beitragen.

Es gibt die tollsten Kuchen, Cupcakes und spektakuläre Muffindekos.

Ich bin die, die Brezeln auf die Liste schreibt, denn backen und Gedöns ist bei mir nicht extra drin.

Wenn ich anfange Termine durcheinanderzubringen, mich noch gehetzter wie sonst schon zu fühlen, mein Ruhepuls 100 beträgt und ich meine Zunge nie vom Gaumen wegbekomme ( Signal für angespannt sein) , dann verfluche ich das Alleinerziehend sein.

Ich habe 2 Kinder und ich bin nur einer! Wie soll das funktionieren?

Wenn ich mit einem Kind Fussball spiele und die Nachbarn das andere Kind schreien hören: „Du bist eine blöde Mama!“ Ja, dann wünschte ich, ich müsste nicht entscheiden, welchem Kind ich meine Aufmerksamkeit heute schenke.

Einmal waren wir auf dem Spielplatz und die Kinder aus dem benachbarten Haus haben schön mit meinen Jungs gespielt. Ich quatschte mit der Mama. 18 Uhr wurden sie vom Papa reingerufen, er wolle jetzt mit ihnen essen. Hmmmm. Weg waren sie. Wir haben weitergemacht. Aber das Gefühl, dass auf uns niemand wartet, uns niemand ruft und vermisst, das habe ich nicht vergessen.

Ja, ich wünschte mein inzwischen 4 jähriger wäre endlich trocken. Aber er trägt immer noch Windeln. Der Grosse war mit 2 1/4 Tag und Nacht trocken. Damals war ich aber in einer anderen Situation. Ich war viel mehr hinterher, ich hatte nur 1 Kind und einen Partner an meiner Seite zur Unterstützung.

Zu Hause ist er ohne Windel und es klappt ausgezeichnet. Aber leider sind wir sehr selten länger zu Hause….das ist das Problem.

Schock, ich fahre ihn auch noch im Buggy herum. In letzter Zeit sogar öfter. Weil er krank ist, oder müde und ich genau weiss, es wird ein riesen Theater geben, weil er hoch will. Ich mache es mir nicht mehr selber schwer. Ich sehe die Blicke, ich höre die Kommentare. Aber ich habe 2 Kinder. Und ich bin nur einer.

Wenn die Mütter im Turnverein (sorry!😬) der Meinung sind, man müsse sogar die Socken farblich zum Turnanzug abstimmen und dann sollten alle einheitliche Taschen haben….“Die sind nicht teuer!“ Ähm….Wenn das Konto im roten Bereich ist, ist 1 Euro schon zu teuer. So Vieles ist für Viele so Selbstverständlich!

Die haben es gut, müssen sich um so etwas keinen Kopf machen!

In manchen Monaten spielen 20 Euro für mich ne grosse Rolle.

Aber am Kind spart man ja bekanntlich am wenigsten und so ist es. Selbstverständlich wird die Tasche bestellt!

Am Wochenende hocken meine Kinder und ich aufeinander und ich bin mehr oder weniger Alleinunterhalter. Wenn was schief läuft, bin ich schuld! Wer denn sonst!? Das Telefon steht still, keiner meldet sich. Alle geniessen ihr Familiendasein, zumindest trügerisch. Wir langweilen uns oft.

Selber anrufen und sich irgendwo einladen, das macht man ja auch nicht. Da hätten meine Jungs endlich ausgiebig Zeit für gepflegtes Toben mit Freunden. Sie sagen nichts, NOCH bin ich genug.

Beim Maibaum stellen war ich dann aber doch baff. Ich unterhielt mich mit einer Bekannten und die Kinder kennen sich vom Kindergarten. Da fragte mein Kleiner den anderen Jungen: „Bist du heut auch ohne Papa da?“ 😮😳

Dieser „Job“ ist nicht umsonst für 2 gemacht. Es ist oft zu viel für mich alleine. Alleinerziehend sein sucks!🖕 Und ist manchmal sowas von cool und perfekt.

4 Kommentare zu „Die Schublade, in der ich stecke

  1. Toll geschrieben. Ja, welche Alleinerziehende kennt solche Situationen nicht. Ich denke, wir fühlen uns viel kleiner als wir sind, nur weil die anderen entspannter sind und ihr Leben besser im Griff zu haben scheinen.
    Die Meinung anderer sollte man sich nicht so zu Herzen nehmen und so alles entspannter angehen können.
    Lass der Entwicklung des Kleinen seinen Lauf. Ich denke, früher oder SPÄTER kommt er von selber raus. Meine Kleinere ist 5 und sehr intelligent. Sie hat einen unglaublichen Wortschatz, versteht so vieles schön und ist feinmotorisch spitze, aber jeden Tag ist die Hose feucht und nachts die Windel nass. Sie legt immer wieder ihr babyhaftes Getue an den Tag und dann bin ich es, die sie morgens anzieht…
    Aber ich denke auch, „jetzt mag ich nicht diskutieren“, und sie wird bestimmt auch Mal großer und reifer!

    Alles Liebe
    Lissi

    Like

    1. Danke Lissi. Ich ziehe meinen 8 jährigen morgens noch oft an und er liegt da wie ein pascha. Ich diskutiert nicht mehr. Harmonie ist morgens meine oberste Priorität.

      Like

  2. Ich habe jetzt zwei Artikel von Dir gelesen und ich finde mich in beiden so sehr wieder und das obwohl ich nicht annähernd in Deiner Situation war. Meine Kinder waren schon „groß“, als wir alleine waren. Ich bin vor fast 20 Jahren aus meiner Heimat und mit dem (späteren) Papa der Kinder zusammengezogen, keine Familie, die mich unterstützt. Und ich bin mir mehr als bewusst, was es heißt, dass sie alt genug sind, damit ich sie alleine lassen kann, um meine Termine wahr zu nehmen. Ich bewundere jede Frau, die alleine ist und ein kleines Kind – oder auch mehrere – hat. Halte durch. Es kommen bessere Zeiten. Vielleicht nicht mit einem neuen Mann an Deiner Seite, auch den Artikel habe ich gelesen und ich bin tief beeindruckt von Deinen Aussagen und auch die kann ich nachvollziehen, aber sie werden größer, selbständiger und nach und nach wirst Du Dein Leben zurückbekommen. Ich wünsche Dir alles Gute!

    LG
    Daggi

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu rapppido Antwort abbrechen